Inhaltsübersicht für diesen Blogbeitrag
Ein mühsamer Start
Wie geplant sind wir am 1. Mai in Frauenfeld nach Italien aufgebrochen. Am Comersee angekommen, dauerte es noch acht Tage, bis wir in der Nacht auf den 9. Mai losfuhren. In der Zwischenzeit haben wir die nun wirklich letzten Optimierungen an unserem Camper vorgenommen. Die Abfahrt gestaltete sich unerwartet schwierig, da die Autobahn von Colico nach Mailand gesperrt war… In den frühen Morgenstunden erreichten wir Maribor in Slowenien. Hier wohnten wir für zwei Tage quasi im Stadtpark und erkundeten zu Fuss die umliegende Weinregion. Ein alter Winzer empfing uns spontan in seinem Weinkeller und liess uns köstlichen Wein probieren.
Am nächsten Tag ging es weiter in das noch junge Land Rumänien, das in seiner heutigen Form erst seit etwas mehr als 100 Jahren besteht. Ob man zu Recht sagen kann, dass es das letzte Outdoor-Paradies Europas ist, wird sich auf unserer weiteren Reise zeigen – abwechslungsreich waren die zwei Wochen aber auf jeden Fall. Zusammenfassend könnte man sagen: Viele Bären, noch mehr Schlösser und Burgen, eine herzhafte Küche, eine bewegte Geschichte und unglaublich viele Kontraste. Aber diese wenigen Stichworte würden unseren Erlebnissen nicht gerecht werden.
Typisch rumänisch: Grenzenlose Weite und hohe Mauern
Die Landschaft ist geprägt von winzigen Dörfern, die oft nur aus wenigen Häusern entlang der Hauptstrasse bestehen, grünen Feldern und (teilweise) unberührten Wäldern, die sich bis zum Horizont erstrecken. Auffallend sind die vielen Storchennester und die hohen Zäune um die Häuser. Diese Sichtschutzmauern stammen meist noch aus der Zeit des Kommunismus, wie wir später erfuhren. Die Rumänen wollten damit sicherstellen, dass niemand die zusätzliche Kartoffelpflanze sieht, die man eigentlich nicht hätte haben dürfen, oder das zusätzliche Brennholz, um warm durch den langen Winter zu kommen. Das Bild auf dem Land wird weiterhin geprägt von vereinzelten Pferden und Wagen, vielen streunenden Hunden, oft schlechten Strassen (mit viel zu schnellen Autos) und leider auch viel Abfall.
Über Stock und Stein: Offroad in Rumänien
Letzteres hat unsere Zeit in der rumänischen Natur etwas getrübt. Denn getreu der hiesigen Selbstverständlichkeit «Nur physische Barrieren halten uns auf» oder «Wo ein Weg ist, kann man auch mit dem Auto hinfahren», testeten wir zum ersten Mal Mafiat Paolos Offroad-Fähigkeiten. Über Stock und Stein ging es zum Naturschutzgebiet Fundatura Ponorului. Auf der grünen Hochebene waren wir, abgesehen von Kühen, ein paar Bauern und ihren Hunden, ganz allein. Auf dem Rückweg nahmen wir eine Bäuerin mit, die den beschwerlichen Weg sonst zu Fuß gegangen wäre. Mit Händen und Füssen sowie Google Translate erfuhren wir mehr über ihren Alltag mit dem Vieh – und das rumänische Wort für Schweiz: «Elvetia». Das erwies sich später an der Grenze als sehr nützlich.
Die Nacht vom 23. März 1945 – und weshalb diese für ein dunkles Kapitel steht
Zwei besondere Tage verbrachten wir im Hotel Zabola Estate in Transsilvanien. Andris Vater war in der Vergangenheit immer wieder für ein Forstprojekt hier. Das Anwesen hat einen riesigen englischen Garten und grosszügige Zimmer, die im Stil der damaligen Zeit eingerichtet sind. Neben der guten lokalen Küche konnten wir Bären in freier Wildbahn beobachten und erhielten dank des Hotelbesitzers Gregor erste Einblicke in die Geschichte: Während des Kommunismus wurden Grossgrundbesitzer systematisch enteignet. So auch Gregors Vorfahren, die in jener verhängnisvollen Nacht von ihren Ländereien vertrieben wurden. Den Nachkommen der Enteigneten wurde das Land nach der Unabhängigkeit zwar zugesichert – doch in der Realität kämpfen viele von ihnen noch immer um ihre Besitzrechte.
Bukarest und seine Geschichten
Wir liessen die Berge und Wälder hinter uns und verbrachten zwei Tage in der Hauptstadt Bukarest. Bei einer Stadt- und Kommunismusführung erfuhren wir, wie anders der Alltag der Menschen damals war. Ali, eine junge Rumänin, erzählte uns, dass der grosse kommunistische Führer Ceaușescu Geologen beauftragt hatte, den erdbebensichersten Ort der Stadt zu finden, nachdem sein eigenes Haus bei einem Erdbeben leicht beschädigt worden war. An dieser Stelle liess er sein zukünftiges Zuhause errichten, den grössten Parlamentspalast der Welt mit über 1000 Räumen. Und sie berichtete von den 4000 Menschen, die ihm weichen mussten. Sie erzählte von der Tradition, beim Betreten einer Kirche mit den Händen ein Kreuz zu zeichnen und wie die Rumänen damals für diese religiöse Geste bestraft werden konnten und deshalb begannen, das Zeichen mit der Zunge im geschlossenen Mund nachzuahmen. Oder vom Untergang des Imperiums, der nur sechs Tage dauerte, und wie es danach mit der Wirtschaft nicht aufwärts, sondern erst einmal abwärts ging.
Couchsurfing in Bukarest: Ein familiärer Empfang
Nach diesem düsteren Einblick haben wir uns umso mehr auf einen Abend bei Silviu und seiner Familie gefreut. Die rumänische Familie mit zwei kleinen Kindern haben wir über die Reise-App Couchsurfing kennengelernt. Ihre kleine Wohnung glich einem Kindergarten – Spielzeug wohin man blickte. Und genauso bunt war auch unser Abend mit ihnen: Verstecken spielen zwischen Schlaf- und Wohnzimmer, Malen und vieles mehr stand auf dem Programm. Nebenbei erfuhren wir viel über das Leben im heutigen Rumänien und durften kurz bei ihnen duschen – für uns ein kostbarer Luxus.
Den 3000. Kilometer unserer Reise fuhren wir tatsächlich im Niemandsland zwischen Rumänien und Bulgarien. Unser abschliessender Eindruck von Rumänien ist positiv. Das Land ist besonders wegen seiner Natur sehr schön und dank der hohen Freisteh-Akzeptanz ein wahres Paradies für Camper-Reisende. Aufgrund der Grösse braucht man jedoch viel Zeit, um zu den wahrhaft schönen Orten zu gelangen. Die bewegte und noch junge Geschichte vom sowjetischen Satellitenstaat zur Demokratie hat uns aber am meisten gefesselt.
Lies in diesem Blogbeitrag, was wir auf unserer Van-Reise in Bulgarien erlebt haben und erfahre mehr darüber, was das Nationalgetränk Rakia und das teuerste Rosenöl der Welt gemeinsam haben.