«Aber Albanien liegt doch nicht auf dem Weg in die Mongolei?» Richtig, dass wir mit unserem Camper nach Albanien gefahren sind, hat damit zu tun, dass ich meinen Geburtstag nicht in einer Grossstadt, sondern am Meer verbringen wollte. Und weil wir schon so viel Tolles über das Land gehört haben. Ich habe schon vor Jahren vorausgesagt, dass Albanien eine Trenddestination wird, und habe Recht behalten. Dasselbe sage ich übrigens auch über die Mongolei 😉
Land der Berge und des Meeres
Die Landschaft im Norden ist geprägt von hohen Bergen, der Süden von klarem Wasser und einer steinigen, aber schönen Küste. Die Hügel sind übersät mit Olivenbäumen und erinnern uns stark an italienische Regionen. Aber nicht nur die Landschaft ist ähnlich, auch viele Begriffe klingen italienisch. Zum Beispiel: öre (Stunde) oder lavazh (Waschanlage).
Albanien – krasse Gegensätze zwischen Altlasten und Aufbruch
Auf unserer Camperreise durch Albanien sind uns einige Dinge aufgefallen und wir haben versucht herauszufinden, was es damit auf sich hat:
- Decathlon, Kaufland, Aldi oder dm: Während in den anderen Balkanländern überall deutsche oder internationale Marken zu finden waren, sind sie in Albanien noch nicht angekommen. Das liegt wohl mitunter daran, dass das Land noch nicht zur EU gehört.
- Ob am Strand, in Naturparks oder entlang kleiner Wege: Überall lag viel Abfall herum. Das scheint auf den Kommunismus bzw. dessen Ende zurückzuführen zu sein. Als sich das Land öffnete und westliche Produkte mit viel Plastikverpackungen den Markt überschwemmten, sei weder das Bewusstsein noch die entsprechende Recyclinginfrastruktur mitgewachsen. Das ist zwar schon über 30 Jahre her, doch die grassierende Korruption im Land sorgt dafür, dass sich vielerorts noch nicht viel geändert hat. Weil versprochene Gelder versickern oder Politiker ihre Wahlversprechen einfach nicht halten. So haben wir es zumindest gelesen.
- Viel alter Beton: Überall sieht man verlassene Rohbauten. Der Bau dieser Häuser wurde ohne Genehmigung begonnen und vom Staat gestoppt. Ebenfalls prägend für die Landschaft: Unzählige runde Bunker, die wie Pilze in der Landschaft verteilt sind. Denn früher verfolgte Albanien die Politik, dass jeder Einwohner einen Platz in einem nahe gelegenen Verteidigungsbunker finden sollte.
- Und noch etwas ist extrem präsent: Autowaschanlagen. Gefühlt alle 500 Meter gibt es einen geteerten Platz mit einem Wasserschlauch und bei vielen läuft das Wasser ständig. Albanien hat dank der Berge sehr viel Wasser und der Umgang damit scheint besonders sorglos zu sein. Umso beeindruckender ist der Kontrast zum trockenen, verkohlten Griechenland, das wir auf unserer Durchreise gesehen haben.
- Ziemlich einheitliche Tankstellenpreise, bis auf einige sehr günstige: Wir trauten unseren Augen kaum, als wir die verlassenen Ölförderpumpen neben den schwarzen, tiefen Löchern sahen. Albanien hat tatsächlich Erdöl! Gefördert wird aber kaum noch, das Geschäft ist zu wenig lukrativ, wegen der Konkurrenz aus dem Nahen Osten. Was das mit den billigen Tankstellen zu tun hat? Die Einheimischen sagen, dass an ebendiesen meist Treibstoff aus albanischem Öl verwendet wird, und das ist manchmal nicht richtig gefiltert oder gepanscht. Also haben wir immer einen grossen Bogen darum gemacht.
- BMW, Mercedes und Ferrari: Natürlich fahren auch auf albanischen Strassen teure Autos. Aber dass das Auto ein wichtiges Statussymbol ist wie bei Albanern in der Schweiz, scheint nicht verbreitet zu sein. Nebi, zu dem wir später kommen, erzählt uns, dass es bei diesem Thema eine klare Kluft zwischen Jung und Alt gibt und die Generationen eine andere Mentalität bezüglich Leasing und auch Arbeit haben.
- Früher war alles besser: Überraschend für uns war, dass ausnahmslos alle älteren Menschen, die den Kommunismus im Land erlebt haben, sagten, dass damals alles besser war. Egal, ob es um Bildung, Sozialleistungen oder Infrastruktur ging. Im Gespräch mit ihnen wird klar, dass die Aussage vor allem meint, dass die Schere zwischen Arm und Reich kleiner war und der Staat sich viel besser um das Wohl aller gesorgt hatte, als das heute der Fall ist. Es scheint, als schwingt stets eine grosse Enttäuschung bezüglich der aktuellen Politik mit. Die Einheimischen bedauern, dass viele der Politiker ihre Wahlversprechen nicht halten und sich, in ihren Augen, durch den Staat bereichern, ohne dass das brach liegende Potenzial des Landes vorangetrieben wird.
Albanien mit Camper: Natur pur
Wir haben in Albanien viel Zeit in der Natur verbracht – aber nicht wirklich viel unternommen. Und genau das wollten wir. In den ersten Tagen haben wir in den Schwefelquellen von Bënjë gebadet und eine kleine Canyon-Wanderung gemacht, haben die beiden UNESCO-Weltkulturerbestätten Berat und Gjirokaster besucht (und dann beschlossen, dass wir keine Umwege mehr wegen UNESCO-Städtchen machen oder uns zumindest mehr mit deren Relevanz auseinandersetzen) und sind dann zum ‹Blue Eye› gefahren. Die über 50 m tiefe Karstquelle leuchtet türkis bis dunkelblau und sprudelt mit kristallklarem Wasser. Wunderschön, auch wenn man nicht darin baden darf (was zu meinem Leidwesen sehr viele Touristen einfach ignoriert haben…). Von dort aus fuhren wir an die Küste und verbrachten fünf Tage direkt an verschiedenen Stränden, weit weg von den Touristenmassen. Einfach traumhaft (wenn man von dem ganzen Müll mal absieht). Meinen Geburtstag feierten wir am schönsten unserer bisherigen Stellplätze, ebenfalls direkt am Meer unweit eines alten U-Boot-Bunkers, den wir natürlich auch inspiziert haben.
Albanien und seine Menschen
In den ersten Tagen hatten wir so gut wie keinen Kontakt zu Einheimischen. Natürlich waren wir oft ziemlich abgelegen, aber das war doch ein grosser Kontrast zu Bulgarien. In Rumänien gab es einfach kaum Einheimische an den Tourismusorten und in Bulgarien waren sie sehr offen. Egal wo wir waren, die Locals waren neugierig. Merkt man, dass der Tourismus hier schon viel weiter ist? Denn so viele Camper, wie wir in Albanien gesehen haben, haben wir in den drei Ländern zuvor zusammen nicht gesehen. Besonders viele Nummernschilder kamen aus Deutschland, Österreich und Italien.
Zwischen Strand und Werkstatt in Durrës
Für fünf Nächte haben wir unseren Paolo gegen eine Wohnung direkt am Strand bei Durrës eingetauscht. Hier wohnt einige Monate im Jahr Nebi, der Vater eines Freundes und Mitarbeiters meines Vaters. Der Hintergrund unseres Aufenthaltes war nicht primär, die älteste Stadt Albaniens zu erkunden, sondern mit ihm als Einheimischen unser Auto in eine Garage zu bringen – ohne die üblichen Touristenpreise zu bezahlen. Beim zweiten Besuch in der Werkstatt stellte sich jedoch heraus, dass der Mechaniker unsere kaputte Untersetzung nicht reparieren konnte. Stattdessen meinte er, dass wir eine neue Kupplung bräuchten… 330 Euro hätte uns das gekostet. Wir haben uns dagegen entschieden und wollen nun beides in der Türkei reparieren lassen.
Wie schmeckt Hirn?
Umso mehr Zeit hatten wir daher für die Planung unserer Weiterreise und für die lokale Küche Albaniens. Mit einem Freund von Nebi gingen wir in ein wunderschönes Restaurant und assen fürstlich. Der Wirt brachte uns sogar einen Lammkopf mitsamt Hirn als Geschenk, eine grosse Ehre. Ich wollte es trotz Ekel probieren, Andri traute sich nicht. Geschmacklich ist es ähnlich wie Knochenmark, aber die Konsistenz und der Gedanke daran extrem gewöhnungsbedürftig… Aber auch sonst hat uns Nebi vorzüglich versorgt: Albanische Pancakes, in Weinblätter gerollter Reis, Raki, Glace und Kräutertee.
Besonders schön an unserem Aufenthalt war auch, dass wir zwar in einer wunderschönen Wohnung mit drei Zimmern und Balkon mit Meerblick schlafen durften, uns aber am meisten über die Waschmaschine gefreut haben. Alles andere haben wir auch in unserem Van und so merkten wir wieder einmal, wie wohl wir uns auf unseren 6m2 fühlen.
Abschied von Albanien: Auf zu neuen Abenteuern
Gut gestärkt machten wir uns auf den Weg. Nicht wie ursprünglich geplant in Richtung Tirana und Nordalbanien, sondern mit dem Ziel Istanbul. Montenegro und die Berge im Norden können wir auch einmal in zwei Wochen Ferien erkunden. Wir entschieden uns für die Route über Nordmazedonien (wegen des billigen Diesels) und Griechenland (mal was Neues, nicht wieder durch Bulgarien) und diese Entscheidung erwies sich als goldrichtig. Kurz nach der Abfahrt ist unsere Klimaanlage ausgefallen und dank der EU sind diese in Griechenland viel günstiger als auf dem Balkan oder in der Türkei.
Lies in diesem Blogbeitrag, wie unsere Zeit in Rumänien war und was es mit Bären und hohen Mauern auf sich hat und erfahre in diesem Blogbeitrag wie uns Bulgarien mit dem Camper gefallen hat und wie es zu einem Essen mit dem Bürgermeister von Rozovo kam.
2 Kommentare
Würdest du Hirn wieder einmal essen?
Hmmh, ehrlicherweise nur, um zu zeigen, dass ich mich geehrt fühle, denn der Gedanke daran hat mich wirklich geekelt… Obwohl es geschmacklich eigentlich ziemlich gut war, aber der Kopf ist eben mit… 😉